Hallo ihr Lieben,
es ist schon wieder soweit eine Blogtour mit einem sehr interessanten Buch ,,verbotenes Verlangen`` von Annabelle Benn. Ich stelle euch das Buch vor und hoffe, dass ich euer Interesse wecken kann. Morgen geht es dann weiter mit der Vorstellung der Charaktere bei
Yvonne Rose und am übermorgen mit dem Autoreninterview bei
Beate.
Verbotenes Verlangen
Wie oft muss man sich finden, um sich nicht mehr zu verlieren?
Der erfolgsverwöhnte Lucas Lauders (28) hatte lange genug eine feste Beziehung, eine steile Karriere als Anwalt und ein schönes Häuschen in London. Nachdem er alles verloren hat, sucht er das Abenteuer und findet es in Kambodscha. Das Letzte, was er will, ist eine feste Beziehung, dafür aber: Frauen, Frauen und noch mal Frauen.
Zumindest bis Allegra.
Allegra will weder in Kambodscha leben, noch sucht sie das Abenteuer. Doch seitdem sie mit dem leidenschaftlichen Lucas im thailändischen Badeort Phuket unvergessliche Nächte verbracht hat, sucht das Abenteuer sie.
Eine atemlose Geschichte voll unerwarteter Wendungen und Verwicklungen, voll brennender, unstillbarer Leidenschaft und vor allem eine Geschichte über den Kern der Liebe.
Leser, die neben einer gefühlvollen, sinnlich-prickelnden Liebesgeschichte gerne über andere Länder und Kulturen lesen, kommen hier voll und ganz auf ihre Kosten.
Leseprobe
1 Lucas
Sonnenstrahlen fallen durch die nicht ganz geschlossenen Fensterläden. Wo bin ich?
Gedämpft dringt der Straßen- und Baulärm in mein Bewusstsein.
Kein Meeresrauschen.
Ich taste um mich. Leere.
Niemand.
Nur ich.
Alleine.
Wo ist sie?
Wo bin ich?
Ich bin alleine in einem fremden, sehr modernen Hotelzimmer. Alles ist anders, alles ist fremd.
Warum?
Was ist passiert?
Verwirrt schließe ich die Augen.
Ich rieche ihren lieblichen Duft, höre ihre gleichmäßigen Atemzüge und das sanfte Meeresrauschen. Ich spüre ihre weiche, warme Haut, die sich an meine schmiegt. Wo ist sie jetzt? Warum ist sie nicht hier? Und wo bin ich jetzt?
Hier ist gar nichts normal.
Bis auf meine all-morgenliche Erektion.
Ich bin Allein.
Kein guter Anfang für ein neues Leben. Aber es könnte schlimmer kommen.
Ich könnte gar nicht kommen.
Doch bei den Gedanken an die Kleine von den letzten zwei Nächten will ich einzig und allein das tun. Nur das. Sie ist immer noch in meinen Gedanken. Verdammt!
Dieser Körper! Und diese Lust! Ah, sie war so willenlos. So devot. So unersättlich. Ein einziger Traum.
Für sie habe ich sogar meine Regel gebrochen, nicht zweimal die gleiche zu nehmen. Aber sie war es wert. Eindeutig.
Meine hohle Hand ist ein verdammt schlechter Ersatz für sie. Ich höre ihr lustvolles Stöhnen, als meine Faust immer schneller wird und ich verdammt gut in den Tag komme. In –
Phnom Penh.
Verdammt!
Heute beginnt der Ernst des Lebens. Schließlich bin ich nicht zum Spaß hier.
Der Strandurlaub, la dolce vita, ist erst einmal vorbei.
Eilig stehe ich auf, dusche mich und sitze kurze Zeit später im sechsten Stock auf der wahrlich traumhaften Dachterrasse bei einem köstlichen Frühstück. Neugierig lasse ich meinen Blick schweifen. Hier ist alles neu und modern. Doch die Stadt, die unter mir brummt und brodelt, macht von hier oben einen etwas matten Eindruck. Wie durch ein beschlagenes, zerkratztes Fernglas erkenne ich nur matte, verzerrte Bruchstücke, die kein sinnvolles ganzes ergeben. Die kräftigen, leuchtenden Farben von Phuket findet man hier nicht, stattdessen ist alles bräunlich und sandfarben. In der Ferne sehe ich ein Riesenrad und dahinter scheint sich eine enorme Wasserfläche, auf der munter ein paar Sonnenflecken tanzen, zu beginnen. Fast meine ich, doch in der Nähe des Meeres zu sein, dabei handelt es sich entweder um den Mekong oder noch den Tonle Sap, der hier in den Mekong fließt. Fluss? Strom! Ströme unvorstellbaren Ausmaßes sind das hier.
Ich lasse mir eine frische Ananas schmecken und denke über die Gründe nach, die mich hierher, in diese entlegene, rätselhafte Stadt am anderen Ende der Welt geführt haben.
Aber alle Gründe? Das sind zu viele für ein köstliches Frühstück auf einer schönen Dachterrasse.
Zuerst einmal: Ich wollte ein anderes Leben. Und das beginnt heute.
Bis vor wenigen Wochen war ich ein gefürchteter Anwalt in London und mit Millie verheiratet, doch daran will ich lieber nicht denken. Nicht an die letzten Monate als Anwalt und nicht an die als Ehemann. Stattdessen danke ich Gott, dass ich aus beidem körperlich weitgehend unversehrt herausgekommen bin, dass ich alles bezahlen konnte und dass aus dieser Ehe keine Kinder hervorgegangen sind, denn so kann ich sie leichter damit abschließen und irgendwann neu anfangen. Die Wunden werden heilen, die Narben werden bleiben.
Vielleicht wird mich eines Tages eine Frau trotz dieser seelischen Entstellungen lieben. Vielleicht, wenn ich dazu bereit bin. Dass sie niemand leicht erkennen wird, dafür werde ich sorgen. Ich bin gut im Überspielen. Ich war Anwalt.
Als würde ich nach sichtbaren Anzeichen meines Seelenzustands suchen, betrachte ich mich nach dem Frühstück kritisch in dem großen Spiegel über dem Waschbecken. Nein, nichts zu sehen. Zum Glück. Ich werde auf mich Acht geben müssen, denn wie Dorian Gray enden will ich auch nicht.
Ein trauriges Lächeln huscht über mein Gesicht und in meinen Augen liegt ein müder Glanz, der früher nicht da war. Ich muss zugeben, ich sehe noch immer verdammt gut aus. Als Student und auch noch als junger Anwalt habe ich als Model nebenbei einiges verdient. Ich habe nur deswegen damit aufgehört, weil es zu einem Anwalt, der unter 500 Pfund in der Stunde keinen Finger krumm macht, einfach nicht passt.
Wenn das mit dem Job hier nichts wird, könnte ich ja vielleicht wieder … Mit 28 ist man als Mann dafür noch lange nicht zu alt! Ich spanne die Bauchmuskeln an. Sixpack, schön definiert; nicht zu viel, nicht zu wenig. Meine Haut ist von der Sonne Thailands gleichmäßig gebräunt, meine braunen kurzen Haare sind heller geworden. Ich nehme eine Portion Haarwachs und verwuschle sie. Mein Gesicht? Mir gefällt es. Den meisten anderen auch. Mein Kinn ist leicht kantig, meine Nase gerade, meine Wangenknochen sind hoch, meine Augen stahlgrün. Ich sehe nicht aus wie ein typischer Engländer, was sicherlich auch daran liegt, dass meine Mutter Deutsche ist, ihre Eltern jedoch beide Italiener waren. Nur mein Vater ist reiner Engländer, doch der – an den will ich lieber auch nicht mehr denken.
Ich muss positiver denken. Das, was mir im letzten Jahr passiert ist, kann jedem passieren. Gut, das wird es nicht. Aber das ist jetzt egal. Ich bin gut rausgekommen! Ich lebe! Ich habe nichts angezündet, niemanden zum Krüppel geschlagen und niemanden ermordet. Und das hätten nicht viele geschafft. Nicht, dass ich bisher gewalttätige Züge gezeigt hätte. Aber ich war davor auch noch nie in auch nur ansatzweise vergleichbaren Extremsituationen gewesen.
Ich hätte das alles nur kommen sehen sollen. Habe ich aber nicht. Und das kann ich mir nicht verzeihen. Weil ich sonst immer alles voraussehe! Oder bilde ich mir das nur ein? Ebenso wie die Überzeugung, eine gute Menschenkenntnis zu haben? Ich habe mich so maßlos getäuscht, in so vielen Menschen die mir nahestanden. In Millie, meinem Kollegen, Partner und ehemals bestem Freund Steve und zuletzt auch in meinem Vater. Nur, wenn es sich wirklich nicht vermeiden lässt, werde ich später auf ihn zu sprechen kommen. Andernfalls soll es genügen, zu sagen, dass er von einem Foto, meiner daraus resultierenden Scheidung, dem Berufs- und Ortswechsel so entsetzt war, dass er den Kontakt zu mir abgebrochen hat. Soll mir recht sein. Auf solche Menschen kann ich verzichten. Besser nicht an ihn denken.
Ich richte mich auf, drücke die Brust heraus und knöpfe mein kurzärmeliges Hemd mit kleinen blau-weißen Karos zu. Nur die oberen drei Knöpfe lasse ich offen. Dann schlüpfe ich in beige Bermudashorts und mache in meinen Flip-Flops den ersten Schritt hinein in mein neues Leben, hinein in eine mir noch unbekannte Stadt, in ein Land, von dem die meisten nicht einmal genau wissen, wo es liegt.
Und hier, in all dem Chaos, will ich mich wiederfinden?
Ich werde mich wiederfinden. Und zwar hier!
Ich trete hinaus in die gleißende Sonne und gehe zum erstbesten Tuk Tuk, das vor dem Hotel wartet. Sofort zeigt mir der Fahrer seine laminierte Karte mit den typischen Touristenzielen, der ich gar keine Beachtung schenke. „38 E Street, 178 Daun Penh“, lese ich dem Fahrer vor, der erstaunlich gut Englisch versteht und spricht. Er nimmt den Zettel, liest sich die Adresse noch einmal durch und fährt los.
Ich hatte mir den Weg auf der Karte angesehen. Es sollte nicht weit sein. Von der ruhigen Straße, in der das Hotel Patio liegt, biegen wir links ab und plötzlich erschlägt mich der Verkehr. Der ist mit nichts, was ich bisher gesehen habe, vergleichbar. Selbst in Vietnam geht es dagegen geordnet zu. Das Wort Chaos beschreibt das mehrspurige Durcheinander von vorrangig Mopeds und Tuk Tuks nur unzureichend. Der Plan, mir hier einen Motorroller oder gar ein Auto zuzulegen, stirbt eines jähen Todes.
Gerade weichen wir einem Moped aus, auf dem eine vierköpfige Familie unterwegs ist. Davor sieht man den Fahrer vor lauter Paketen gar nicht. Ich dachte, das gäbe es nur noch auf Fotos. Ein wenig ängstlich halte ich mich an der breiten Sitzbank fest und um zumindest cooler zu wirken, lehne ich mich in der Bank weit zurück. Nach einigen Minuten entspanne ich. Der Fahrer ist in dieser Art von Verkehr groß geworden und schlängelt sich meisterlich hindurch. Links, rechts, geradeaus, wieder links. Ab und zu dreht er sich zu mir um und lächelt mir zu. Die Menschen hier sind so freundlich!
Doch allmählich werde ich stutzig. Sicher, der Verkehr ist dicht, aber so lange sollte die Fahrt doch gar nicht dauern? Sind wir hier nicht schon mal vorbei gekommen? Will er den Preis in die Höhe treiben? Natürlich gibt es im Tuk Tuk kein Taxometer und ich nehme mir vor, beim nächsten Mal vor Fahrtantritt den Preis auszuhandeln. Hält er mich für einen dummen Touristen? Dann hat er Recht. Er hält an. Sind wir am Ziel? Er dreht sich zu mir um und fragt: „Haben Sie eine Telefonnummer?“ Telefonnummer? Wozu das denn? Ach so, er kennt den Weg nicht! Und das in einer Stadt, in der die Straßen nach einem sehr logischen System durchnummeriert sind: die mit den geraden Nummern führen von Ost nach West, die mit den ungeraden von Nord nach Süd.
Okay, natürlich, wenn es uns dem Ziel näher bringt: „Ja, hier, bitte.“
Er fährt rechts ran, wählt die Nummer, spricht auf Khmer, gibt mir lächelnd meinen Zettel zurück und zwei Ecken später sind wir da.
Mit einem freundlichen Lächeln und dem landestypischen Gruß – vor dem Gesicht oder vor der Brust spitz gefaltete Hände - werde ich von einer umwerfenden Kambodschanerin begrüßt. Ich scanne sie heimlich. Natürlich, welcher Mann tut das nicht! Wie alle Menschen hier ist sie sehr klein, sehr schlank, schmal, zierlich. Kein Gramm Fett, wie überhaupt niemand hier ein einziges Gramm Fett mit sich herumzutragen scheint. Das muss daran liegen, dass es hier noch keinen McDonalds gibt und von Tiefkühlpizza wohl noch nie jemand etwas gesehen hat, außer in Filmen.
„Guten Tag, Mr. Lauders. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Sovann“, stellt sie sich mit einem leichten amerikanischen Akzent vor.
„Guten Morgen, ich freue mich ebenfalls. Ich bin Lucas Lauders.“
„Sie sind noch nicht lange hier?“, fragt sie freundlich.
„Nein, erst seit gestern Abend“, gebe ich zu.
„Ach, so kurz erst! Ich verstehe! Herzlich willkommen.“ Sie lächelt, wie alle Menschen hier und wirkt herrlich natürlich.
„Danke.“
„Wissen Sie, die Fahrer hier kennen keine Straßennamen“, verrät sie mir, als wir das erste Gebäude betreten. „Sie müssen immer ein bekanntes Hotel, Restaurant oder Denkmal in der Nähe nennen.“
„Oh, vielen Dank, das ist gut zu wissen!“
„Wie haben Sie mich denn gefunden?“
„Über movetocambodia.com. Dort wurden Sie empfohlen, weil Sie auf die exakten Wünsche der Leute eingehen.“
Sie blickt verlegen zu Boden und lächelt. „Ja, das versuche ich. Denn Empfehlungen sind wichtig für mich und ich möchte, dass Sie sich in unserem Land wohl fühlen.“
„Das werde ich bestimmt“, antworte ich zuversichtlich und die Ruhe, die von dieser zarten Frau ausgeht, ergreift auch mich.
„Was bedeutet Sovann denn eigentlich?“, frage ich interessiert. „Das klingt sehr schön.“
„Sovann bedeutet Gold.“ Wieder schenkt sie mir dieses bezaubernde Lächeln.
„Oh, wie passend!“
Sie errötet leicht und blickt zu Boden.
Wir sind in der obersten Etage, der fünften, angekommen. Die Häuser hier sind nicht hoch; eher so wie in europäischen Städten, deswegen hieß Phnom Penh vor dem Horror der Roten Khmer wohl auch das Paris Asiens. Ganz anders als in den meisten anderen asiatischen Hauptstädten gibt es hier nur wenige moderne Hochhäuser. Vielleicht macht die Stadt deswegen einen so übersichtlichen und ruhigen Eindruck. Dass der gewaltig täuscht, das werde ich noch herausfinden.
Die erste Wohnung, die sie mir zeigt, ist schön, aber ein wenig zu laut.
Sie hat noch zwei weitere für mich zur Auswahl und die letzte, mit einem Blick auf den Tonle Sap, nehme ich schließlich. Nach weniger als zwei Stunden sind wir fertig. Ich bin hin und weg. So schnell kann man eine Wohnung finden? Noch dazu so eine schöne? Sie ist so klar und modern wie mein Hotelzimmer eingerichtet und mit den modernsten Geräten ausgestattet. Küche, Fernseher und Bad, alles ist vom Feinsten. Die Möbel sind im aktuellen pan-asiatischen Stil. Dunkles Holz, helle, leuchtende Farben für die Kissen und Bilder, ganz so, wie es mir gefällt. Noch dazu habe ich eine helle Dachterrasse und ein Fitnesscenter im Haus. Und das alles für einen winzigen Bruchteil der Miete, die ich dafür in London bezahlt hätte.
Sovann empfiehlt mir eine Maid, die für mich die Wohnung sauber halten kann und Einkäufe etc. erledigt. Begeistert lasse ich mir die Nummer geben. Sie freut sich. Vielleicht ist es eine Verwandte von ihr, die so Geld verdienen kann.
„Herzlichen Dank! Ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell geht!“
Sie lächelt freundlich und freut sich, mich glücklich gemacht zu haben. Prompt tauchen in meinem Kopf noch ganz andere Möglichkeiten auf, wie sie mich noch glücklicher machen könnte, doch ich verdränge den Gedanken. Sovann wirkt so rein und so unschuldig. Ich fühle mich fast ein wenig schlecht, so etwas zu denken. Aber Männer sind eben Männer.
Ich unterschreibe den Vertrag und kann in vier Tagen, am ersten September, einziehen.
„Dann bis Freitag um 10:00 Uhr hier. Sie haben ja meine Nummer, falls noch etwas ist.“
„Sehr schön. Ich freue mich.“
Sie lächelt, faltet die Hände und verneigt sich. „Auf Wiedersehen.“
„Auf Wiedersehen.“
Ja! Hier bin ich richtig! Das ist mein neues Zuhause.
Ich sagte doch, dass ich mich hier finden würde. Der erste Schritt ist mit dem Zuhause getan.
Was ist das nur für eine geile, verrückte Stadt!
Die Menschen sind freundlich, die Frauen auf natürliche Weise umwerfend schön. Die Preise sind niedrig. Und in nur zwei Stunden habe ich eine Traumwohnung gefunden! Und das Essen ist, wie ich kurz darauf feststelle, einfach lecker und noch dazu sehr günstig ist.
Ich nehme in einem Restaurant mit Terrasse und einer englischsprachigen Speisekarte Platz. Hier steht schon wieder alles in US Dollar. Ich hatte es für einen Witz gehalten, dass man die Dinger hier braucht. Haben die keine eigene Währung? Ein Rätsel, das ich ergründen muss!
Mein Amok, so heißt tatsächlich ein leicht scharfes Fischgericht, schmeckt traumhaft und kostet ganze vier US Dollar. Serviert wird es mir von einer weiteren kambodschanischen, Verzeihung: Khmer-Schönheit mit einem genauso bezaubernden Lächeln.
Den Rest des Tages und der Woche verbringe ich damit, mir eine kambodschanische Sim-Karte zu besorgen, ein Bankkonto zu eröffnen und in der Nachmittagssonne auf der Dachterrasse zu liegen.
Die ist einfach unvorstellbar geil. Denn ganz oben, noch über dem Frühstücksraum, befindet sich ein Infinity Pool. Der überwältigt mich so sehr, dass ich erstmal gar keine Augen für etwas oder jemand anderes habe. Wenn man auf einer der gemauerten Liegen liegt, scheint das Poolwasser am Rand tatsächlich in die Tiefe zu stürzen und man wundert sich, dass die Schwimmenden nicht irgendwann mit einem lauten Schrei runterfallen.
Das Leben könnte nicht schöner sein. Es ist vollkommen!
Ich bin frei!
London und das ganze alte Leben sind so weit weg. Hierher zu kommen war ganz bestimmt die richtige Entscheidung. Glücklich und zufrieden atme ich tief ein.
Wie verrückt ist das eigentlich! Noch vor wenigen Wochen war ich Anwalt im hektischen London. Jetzt bin ich hier, in der Sonne, in der Hitze, umgeben von den schönsten Frauen, die ich je gesehen habe und habe alle Zeit und Ruhe der Welt.
Nun sehe ich mich doch um und mein Blick bleibt an zwei, wie sollte es anders sein, sehr sportlichen Australierinnen hängen, die munter vor mir im Wasser plantschen. Auch nicht von schlechten Eltern! Doch da dringen italienische Sprachfetzen an mein Ohr und schon denke ich wieder an die Kleine von Phuket.
Verdammt! Was ist nur los mit mir?
Ja, sie war geil. Sie war der Oberhammer! Aber das ist doch kein Grund, jetzt pausenlos an sie zu denken! Okay, vor etwas mehr als vierundzwanzig Stunden war ich noch in ihr. Shit, war das geil. Aber ein Tag? Ist das wirklich erst einen Tag her? Es fühlt sich wie ein anderes Leben an, und das ist es ja irgendwie auch.
Ich schließe die Augen und sehe sie wieder aus den Fluten vor mir auftauchen:
Wie Venus persönlich steigt sie in ihrem weißen Bikini aus dem Meer, sieht mich, lächelt mir zu, streift ihr Oberteil glatt. Wasserperlen glitzern und glänzen im Sonnenlicht auf ihrer goldgebräunten Haut, die sich eng und straff über ihre schlanke Figur spannt. Aus jeder einzelnen Pore verströmt sie eine unbeschreibliche Erotik. Ich bin geblendet von dieser überirdischen Erscheinung und starre sie eine Zeit lang regungslos an. Diese Frau ist die schönste, betörendste, verführerischste, die ich jemals gesehen habe. Pure Sinnlichkeit taucht da aus den Wellen vor mir auf.
Ich muss sie haben!
Sie macht ein paar Schritte auf mich zu und bleibt mit einem lasziven Lächeln auf ihren weich geschwungenen Lippen vor mir stehen. Schnell lege ich ein Handtuch auf meine Badehose. Sie lacht und ihre dunkelgrünen Augen funkeln. Ihre langen, hellbraunen Haare fallen über ihren rechten Busen und verdecken mir die Sicht. Doch der linke ist deutlich und verheißungsvoll zu sehen. Viel zu deutlich und viel zu verheißungsvoll. Mit einem Ruck wirft sie ihre Haare zurück. Ein paar Wassertropfen spritzen auf meinen erhitzten Körper. Herausfordernd reckt sie mir keck ihre beiden Prachtexemplare entgegen. Zu schade, dass ihr weißer Bikini unterfüttert ist. Zu gerne hätte ich schon jetzt mehr von ihren lockenden Früchten gesehen; oder gar genascht.
Doch ich kann warten.
Denn diese Frau wird mein sein.
Mein!
Da landen schwere Wassertropfen auf meinem von der Sonne heißen Rücken. Widerwillig öffne ich die Augen. Der Himmel ist stahlgrau, ich bin allein am Pool und binnen Sekunden öffnet der Himmel seine Schleusen. Es schüttet wie aus Eimern. Regenzeit in Phnom Penh.
Tropfnass laufe ich eine Etage tiefer in die Bar, wo sich schon eine lustige Gruppe gebildet hat.
„Oh, du Armer!“, lacht die blonde Australierin vom Pool. „Hat dich der Regen wachgeküsst?“
„Leider nur der Regen!“, grinse ich und zwinkere ihr zu.
Ich muss auf andere Gedanken kommen und vielleicht kann sie mir ja dabei helfen.
Sie kann. Und wie.
Am Abend treffen wir uns mit ihrer Freundin und nehmen einen Drink in der westlich gestylten K West Bar an der Riverfront, dem Flussufer, ziehen dann weiter zu einem Billardspiel, trinken noch mehr und irgendwann knutschen wir zu dritt so wild herum, dass wir es kaum zurück ins Hotel schaffen. Ja, so kann das neue Leben beginnen! So werde ich auch die nötige Ablenkung von der blutjungen Italienerin finden. Denn, wenn ich ehrlich sein muss, ertappe ich mich bei dem flotten Dreier ein oder zwei Mal dabei, dass ich an sie denke.
Die beiden Freundinnen reisen am nächsten Tag dennoch sehr zufrieden weiter. Perfekt, alles läuft nach Plan. Kein Stress, keine Gefühle, nur Spaß. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist eine Frau, die sich Hoffnungen auf mehr macht oder mit der es auch nur im Ansatz Stress gibt. Danke, nein! Davon hatte ich mehr als genug. Deswegen werde ich schön brav jeden Abend eine andere ficken. Oder zumindest wenn mir danach ist. Aber das ist ja meistens der Fall. C’mon, ich bin ein Mann! Noch dazu in der Blüte seines Lebens! Und Sex ist geil. Einfach. Richtig. Geil.
Geil ja, aber nicht so wie mit der von Phuket. Mit der war es anders… Intensiver.
Ey, Mann! Was ist nur los mit mir? Warum denke ich schon wieder an sie, und nicht an die zwei Hasen von letzter Nacht? Die sollten meine Gedanken doch von ihr ablenken! Stattdessen wird es immer noch schlimmer! Ständig ziehen Erinnerungen und neue Fantasien an mir vorbei:
Sie liegt im warmen Licht der Abendsonne und räkelt sich unter mir. Ihre gepflegten Hände streicheln ihre runden Brüste, ihre grünen Augen versinken in meinen. Sie stöhnt, sie raunt: „Komm zu mir!“. Ihr Rücken drückt sich durch, sie bietet sich mir an, ganz, vollkommen. Tief dringe ich in ihr warmes Paradies ein. Sie wimmert, sie stöhnt. Unsere Gesichter sind lustverzerrt, unsere Körper angespannt. Sie schließt die Augen. Wir hören auf zu atmen und erreichen gleichzeitig mit einem lauten Schrei den Gipfel unserer Lust.
Ich öffne die Augen und sehe mein Sperma die Duschwand herablaufen.
Warum kriege ich die Frau nicht aus meinem Kopf? Warum? Gut, dass ich mich mit ihr auf Facebook nicht verbunden habe! Sie wohnt in Phnom Penh, das hat sie mir gesagt. Aber, und vielleicht deswegen, habe ich ihr nicht gesagt, dass ich auch hierher ziehe. „Ich bin hier im Urlaub“, habe ich ihr erzählt und sonst nichts. Schließlich will ich nichts Festes. Nach dem Horror der Scheidung und dem Aus als Anwalt brauche ich wirklich erst mal Zeit für mich.
Verdammt, aber jetzt hätte ich ihre Nummer schon sehr gerne, denn ich bin mörderscharf auf sie. Vielleicht ist sie ja schon zurück in der Stadt?
Mann, ich sollte mich wirklich zu einem Kurs in Selbstbeherrschung anmelden!
Kurz entschlossen mache ich mich auf den Weg in diese quirlige, drückend heiße Stadt und setze mich in die schöne Bar Green Leaf, bestelle ein Whiskey Cola und genieße das Leben.
Bis zum nächsten Regenschauer.
Fast ist es zu schön, um wahr zu sein.
Erst später soll ich erfahren, dass eine beliebte kambodschanische Redensart lautet:
Wenn es zu schön ist, um wahr zu sein, ist es wahrscheinlich zu schön.
2 Allegra
„Hier, nimm!“ Pablo hält mir einen Joint hin, doch ich lehne wortlos ab. Ich mache mir nichts aus dem Zeug.
„Mann, Allegra! Jetzt lach doch mal!“, mault nun auch Amy, eine meiner zwei besten Freundinnen.
„War der Sex so schlecht?“ So vorlaut ist nur Tom, der auch gleich laut loslacht.
„Unmöglich! Sonst wäre sie ja nicht erst am Nachmittag völlig übermüdet zurückgekommen“, neckt mich Matteo, mein liebster männlicher Freund.
„Mphf“, antworte ich und wende den Blick ab. Wenn die wüssten! Ach! Alles in mir surrt und summt noch. Ich bin noch gar nicht richtig da. Der Sex war einfach überirdisch. Wunderschön. Traumhaft. So etwas habe ich noch nie auch nur ansatzweise erlebt. Er war so intensiv, dass ich ihn immer noch überall fühle. Auf mir, neben mir, in mir.
„Du hast dich doch nicht etwa verliebt?“, flüstert Leona und reißt ihre großen braunen Augen auf.
Ich zucke erschrocken zusammen. Verliebt? Ich? So schnell? „Ich? Was, nein! Ich doch nicht!“ Aber, ja, es stimmt, sie hat Recht: Ich habe mich verliebt. Und zwar Hals über Kopf und so heftig wie noch nie zuvor in meinem Leben. Aber das will ich nicht gleich allen auf die Nase binden. Und vor allem will ich selbst es nicht wahrhaben, denn: was soll ich denn mit der Verliebtheit? Er ist schon wieder weg! Ich will nur das Gefühl genießen und festhalten, so lange es geht. Und dann leiden, abgrundtief leiden, damit ich nochmal spüre, wie stark meine Gefühle sind.
Er ist vor drei Stunden abgereist, nachdem wir uns zum zweiten Mal die ganze Nacht lang bis zum Mittag, als er auschecken musste, geliebt haben. Immer und immer wieder. Dann sind wir in meinen verlassenen Bungalow geschlichen und haben es noch einmal, das allerletzte Mal, getan. Er war unersättlich und hat mir immer wieder gesagt, wie einzigartig das alles mit mir wäre und wie wunderschön ich sei. Wie gut ich mich anfühle. Dass er noch nie so guten Sex hatte.
Und er sieht so verboten guten aus. Durch- aber nicht übertrainiert. Braungebrannt. Ein englischer Akzent zum Dahinschmelzen. Diese Stimme! Diese Augen! Und erst diese Lippen … Und ich habe nichts von ihm. Gar nichts! Kein Foto, keine Nummer, keinen Nachnamen – NICHTS! Ich habe ihm meinen Namen und mein Hotel gesagt, damit er mich finden kann, wenn er will. Ich war einfach zu schüchtern, um ihn nach seiner Nummer oder so zu fragen. Ich hatte gefragt: „Bist du bei Facebook?“, aber er hat nur „Klar, wer ist das nicht“ darauf geantwortet, sonst nichts. Deswegen habe ich nicht weitergebohrt, weil ich dachte, er müsste was sagen. Aber – vielleicht hat er einfach nicht weitergedacht? Vielleicht hat er einfach nicht daran gedacht, dass er mich gar nicht wiederfinden kann und wir uns nie wieder sehen werden, wenn wir keine Namen oder Emailadressen tauschen? Vielleicht sucht er mich ja. Dann wird er mich finden.
Eigentlich muss er mich ja suchen wollen, wenn es stimmt, was er gesagt hat. Warum sollte er lügen?
Wenn er so ein Draufgänger und Playboy wäre, hätte er mich am ersten Abend nicht nur geküsst! Und dann wäre er am zweiten Abend nicht das Risiko eingegangen, dass wir wieder nur küssen. Aber er hat es getan. Und wenn er so ein Aufreißer wäre, hätten wir auch nicht beinahe 48 Stunden am Stück miteinander verbracht. Also muss es ihn auch erwischt haben; ich ihm mehr bedeuten. Und sicherlich vögelt er nicht wild durch die Gegend. Sonst hätte er sich den Sex ja auch bei einer Thailänderin gekauft, so wie das fast alle Männer hier tun. Nein, so einer ist er nicht, das habe ich ihm angesehen.
Er wird mich suchen, da bin ich mir sicher. Oder zumindest hoffe ich es inständig. Ich habe schon ein Strandfoto von Phuket auf meinem Facebook-Profil hochgeladen, damit er mich gleich erkennen kann. Außer mir gibt es nur zwei andere Allegra di Giorgi. Hoffentlich weiß er, wie man den Namen schreibt?
„Oje, es hat sie wirklich erwischt!“, zieht mich Matteo mit einem gespielten Seufzer auf und legt den Arm um mich.
Mein lahmes „Ha ha“ muss wenig überzeugend klingen.
„Mann, und ich dachte wirklich, das mit uns könnte was werden!“, neckt er mich weiter, als er merkt, dass ich wirklich traurig bin. Er zieht mich noch fester an sich. Dankbar kuschle ich mich an ihn. Es stimmt mich traurig und melancholisch, dass ich seine Gefühle nicht erwidern kann. Er ist so lieb und einfühlsam und er hat den gleichen Humor wie ich. Aber ich bin einfach nicht in ihn verliebt, auch wenn das Zusammensein mit ihm sicherlich angenehm, unproblematisch und schön wäre. Nur wäre ich in einer schmetterlingsfreien Zone gefangen.
„Schau, wir sind doch alle da. Zumindest hast du uns!“, versucht er mich zu trösten, weil er genau weiß, dass meine größte Sorge die Einsamkeit ist. Er spricht jetzt Italienisch und der Klang, den seine Stimme dabei annimmt und die Satzmelodie beruhigen mich tatsächlich ein wenig. Unsere Väter stammen beide aus Rom, kennen sich natürlich, weil sich anscheinend alle Römer zu kennen scheinen, doch haben wir beide nie dort gelebt. Stattdessen sind wir alle paar Jahre in ein anderes Land oder gar auf einen anderen Kontinent gezogen. Er, wie all meine Freunde, kennen das ewige Abschiednehmen und die Heimatlosigkeit.
„Warum haben wir eigentlich nie in Italien gelebt?“, frage ich ihn. In mir schlummert die Hoffnung, dass dort alles anders wäre. Dass die Hälfte meiner Sorgen dort schlichtweg nicht existieren würde. Dort wäre alles stabil. Fest. Unvergänglich. Nicht ständig im Wanken und im Sich-Auflösen begriffen, wie es hier der Fall ist. Oder seit der Scheidung meiner Eltern. Oder eigentlich schon immer.
Die Freunde, die Familie, die Schule. Alles vergeht ständig und unaufhaltsam. In Italien, in Europa, wüsste ich, wo ich hingehöre und wer ich bin. Doch so weiß ich gar nichts. Außer, dass ich auch diese Freunde nicht mehr lange haben werde, dass wir uns aus den Augen verlieren und auf verschiedenen Erdteilen getrennt voneinander weiterleben werden.
„Du kannst doch bald dorthin ziehen.“
„Ja. Aber ohne euch.“
„Ja, ohne uns …“
„Ich könnte dort studieren …“
„Zum Beispiel.“
„Vielleicht tu ich das ja.“
Er schweigt, drückt mich fest an sich und legt seinen Kopf auf meinen. Es tut so gut, ihn zu spüren. Mein Herz wird brechen, wenn sich unsere Wege trennen. Warum nur kann ich mich nicht in ihn verlieben? Warum hängt mein Herz stattdessen an diesem unbekannten Engländer?
Tom greift zu seiner Gitarre und stimmt „Still haven’t found“ von U2 an. Mir kommen die Tränen. Ich spüre, wie sich seine Brust verkrampft. Amy nimmt meine Hand und drückt sie.
Nachdenklich sitzen wir auf der Veranda von einem der Bungalows, die wir am Strand von Phuket gemietet haben, wo wir die letzten zehn Tage der allerletzten Sommerferien unserer Schulzeit verbringen. Vor vier Tagen habe ich hier meinen achtzehnten Geburtstag gefeiert. Wir, das ist unsere bunt zusammengewürfelte, internationale Clique. Wir gehen gemeinsam auf die Bright Star International High School in Phnom Penh und teilen alle das gleiche Schicksal: wir haben keine echte Heimat, ziehen ständig um und leben in den ärmsten Ländern dieser Welt wie in einer unwirklichen Blase, innerhalb der es halbwegs akzeptablen westlichen Luxus gibt. Außerhalb herrschen Armut, andere Gesetze und eine Kultur, zu der wir nicht gehören und nie gehören werden. Wir gehören weder hierhin noch dorthin.
Unsere Eltern sind entweder Diplomaten, wichtige Manager oder, wie im Fall meiner Mutter, Mitarbeiter einer der zahllosen NGOs, einer Nicht-Regierungs-Hilfsorganisation.
Meine Mutter arbeitet seit der Scheidung bei einer winzig kleinen NGO, die, meiner Meinung nach, mehr Schaden anrichtet als dass sie Gutes tut. Ich bin zynisch, ich weiß, aber wer das Ausmaß an internationaler Hilfe hier sieht und wie wenig sich dabei ändert, nämlich so gut wie gar nichts, der kann nur zynisch werden. Aber das ist ein zu weites Feld.
Natürlich sieht meine Mutter das anders. Meine Mutter hat in dem Job, nach dem sorgenfreien Leben einer mitreisenden Expat-Frau, ihre neue Erfüllung gefunden. Natürlich verdient sie sich damit nicht dumm und dusselig, aber aufgrund eines alten oder nichtvorhandenen Ehevertrags, bezahlt sich mein Vater sicher dumm und dusselig. Natürlich sieht meine Mutter auch das anders.
Es gibt Menschen, die sich auf Anhieb in Phnom Penh verlieben. Meine Mutter gehört dazu, ich nicht. Ich mag vieles hier, aber ich liebe es nicht. Genau wie wohl die meisten Kambodschaner würde ich lieber in Europa, Australien oder in Nordamerika leben.
Mein Vater, das ist Davide di Giorgi, ist und war für viele internationale Firmen weltweit tätig. Da wir früher mit ihm mitgezogen sind, habe ich zwar schon in Hong Kong, Tokio, Chicago und Auckland gelebt, aber nie in Europa.
Leider durfte ich nicht bei meinem Vater bleiben, der zum Zeitpunkt der Scheidung in Auckland, Neuseeland stationiert war. Dort war es schön, sicher und vor allem habe ich mich nicht so sehr wie ein nur geduldeter und noch dazu unverschämt reicher Außenseiter gefühlt. Ich finde das nicht angenehm.
Doch auch das sieht meine Mutter anders. Das heißt, wenn es nach ihr geht, geht es im Leben nicht darum, dass es angenehm ist. Aber, wenn es nicht darum geht, warum arbeitet sie dann hier in dieser NGO, frage ich mich. Will sie den Menschen hier zu keinem angenehmen Leben helfen? Aber auch das ist, wie alles, was mit meiner Mutter zu tun hat, ein zu weites Feld.
Ich soll dankbar für meine internationale Erfahrung sein, sagt sie. Vielleicht bin ich das später einmal. Doch was für uns hier normal ist, ist unvorstellbar weit weg für Gleichaltrige in Europa oder den USA. Und was für uns hier unvorstellbar weit weg ist, ist für Gleichaltrige in Europa und in den USA zum Greifen nahe. Menschenhandel? Zwangsprostitution? Lähmende Korruption ohne Ende? Massaker? Vom Tuk Tuk Fahrer vergewaltigt zu werden? Nein, das ist bislang zum Glück noch niemandem von uns passiert, aber es passiert um uns herum. Täglich. Andererseits McDonalds, Starbucks, H&M? Nicht hier.
Aber – ach, egal, ich will jetzt gar nicht an sie oder den ganzen Ärger denken. Ich jedenfalls würde meinem Kind ein anderes Umfeld bieten wollen, wenn ich könnte. Und sie könnte, wenn sie wollte. Aber sie will nicht.
Noch dieses eine Schuljahr, und dann bin ich weg. Neun Monate. Eigentlich könnte ich schon weg sein, doch leider musste ich in dem Jahr, als sich meine Eltern trennten und wir nach Kenia zogen, ein Jahr wiederholen.
Aber genug geschimpft!
Doch wenn ich nicht daran denke, denke ich schon wieder an Lucas.
Es gibt ja auch viele gute und schöne Dinge hier. Unsere Partys zum Beispiel. Dass die Leute so freundlich sind, dass das Wetter immer warm ist. Dass wir uns haben. Oder, dass wir zu zehnt nach Phuket fliegen durften. Ganz ohne Eltern, aber dank der Tatsache, dass sie gut verdienen. Vielleicht verzeihe ich meiner Mutter auch einfach die Scheidung nicht, weil sie ihre Schuld war. Mit so einer Frau hält es kein Mann lange aus! Kein Wunder, dass mein Vater eine, oder mehrere, Freundinnen hatte.
Wir sitzen also hier am Strand von Phuket, die Sonne ist schon untergegangen, trinken Bier und Cocktails, singen und hängen unseren Gedanken nach. Meine kehren wieder zu Lucas zurück und in meinem Herzen wird es ganz warm und sonnig. In meinem ganzen Körper kribbelt und prickelt es so stark, wie ich es noch nie erlebt habe.
Alles an ihm ist umwerfend. Sein gottgleiches Aussehen. Seine ruhige, warme Stimme. Seine geheimnisvollen Augen. Seine weichen Lippen und Hände. Seine zärtlichen, hungrigen Küsse. Seine unanständigen Worte. Alles löst das Gefühl von zahllosen bunten Kolibris in mir aus, die aufgeregt, aber im gleichen Takt, in meinem Bauch gleichzeitig mit ihren Flügeln schlagen.
Ohne ihn fühle ich mich, als würde mir ein Arm oder ein Bein fehlen; als wäre ich nicht vollständig. Er fehlt mir so sehr. Und vielleicht werde ich ihn nie wiedersehen.
Ich schaue meine Freunde der Reihe nach an. Matteo drückt mir einen zärtlichen Kuss auf die Schläfe und steht auf. Dankbar drücke ich seine Hand.
Wenn ich mich nur in ihn verlieben könnte!
Ich lasse mich zurückfallen und liege mit geschlossenen Augen in meinem Liegestuhl.
Lucas.
Das erste Mal sah ich ihn, als ich gerade aus dem Meer kam. Seine funkelnden Augen zogen mich sofort in seinen Bann. Er sah so atemberaubend sexy aus, wie er da auf seinem Handtuch im Sand saß und mich anlächelte.
Von Anfang an war ich von seiner Ausstrahlung gefangen. Er hat so etwas Starkes, Männliches und unendlich Erotisches. Er weiß, was er will, das merkt man ihm von Weitem an. Mit ihm könnte ich durchs Leben gehen. Bei ihm könnte ich mich anlehnen. Ihm könnte ich vertrauen. Er würde mich halten und alles wäre gut. Und nie könnte ich mich an ihm sattsehen. Niemals.
Ich weiß nicht mehr, was er sagte, so aufgeregt war ich. Ich stotterte einfach nur „Ja“. Er lud mich zu einem Drink ein, den ich aber ablehnen musste, da ich eine Massage gebucht hatte. Deswegen lud er mich für einen am Abend ein.
Geredet haben wir nicht viel Wichtiges, ich war ja so aufgeregt. Er sah einfach so toll aus und frischgeduscht roch er so sexy, dass meine Sinne ganz benebelt von ihm waren. Ich schwebte neben ihm her, wie er so aufrecht und selbstsicher die Straße entlang ging, wie ihm alle nachschauten, wie er lächelte, wie er leise, wohl überlegt und mit seiner melodiösen Stimme sprach. Und in allem, was er sagte, steckte ein Scherz. Ich war die ganze Zeit am Kichern und Lachen, weil mit ihm alles so lustig und unbeschwert war.
Er bestellte unsere Drinks und ich habe ein bisschen geschwindelt, weil er ja eindeutig kein Schuljunge mehr war und ich auch älter wirken wollte. Also sagte ich kurzerhand, dass ich in Phnom Penh bei einer NGO arbeite. Er erkundigte sich, wie die Stadt so sei, er habe viel darüber gehört und ich erzählte ein bisschen, wobei ich schon wieder lachen musste. Da legte er seine Hand unter mein Kinn und hielt es so fest, dass ich nicht anders konnte, als ihm lange in seine tiefgrünen Augen zu sehen. Ich hatte das Gefühl, in ihn einzutauchen, als könne er mich lesen und ganz tief in meine Seele blicken, als könne er mich ohne Worte verstehen. So wie mit Matteo. Nur, dass bei ihm dieses unbeschreibliche, enorme Kribbeln dazu kam; ein Kribbeln, so stark, dass ich irgendwann die Augen schloss und meine Lippen schürzte. Völlig willenlos. Und da – da berührten seine Lippen meine. Die Welt hörte auf, sich zu drehen. Ich konnte es kaum glauben. Der schönste, aufregendste, lustigste und intelligenteste Mann, dem ich je begegnet war, küsste mich. Und wie!
Es war, als würde ich in ihn hineinfallen und erst in ihm vollständig erblühen.
Seine Lippen waren butterweich und fordernd zugleich. Wie kleine Stromschläge preschten seine Küsse durch meinen Körper. Ich stand in Flammen. Seine Hand legte sich auf meinen Oberschenkel und drückte ihn zuerst sanft, dann immer fordernder. Seine Zunge öffnete meine Lippen, drang in meinen Mund ein und tauchte tief in mich ein. Ich versank in seinem Kuss. Seine Arme hielten mich fest, zogen mich eng an ihn, während seine Hände mich streichelten. Ich roch seinen Duft, hörte seine schweren Atemzüge, die über meinen Hals streiften, spürte seine heiße Erregung in seiner Hose. Eng drängte ich mich an ihn, rieb mich an ihm und spürte, wie sein Herz raste.
Ich war so erregt, dass ich mich an seinem Oberschenkel rieb und leise vor mich hin stöhnte.
„Ich glaube, wir sollten gehen, nicht dass wir hier noch die Sittenpolizei an den Hals bekommen“, raunte er mir zu, erhob sich, reichte mir die Hand und ich folgte ihm an den Strand, wo wir uns voller Feuer im Blut weiterküssten. Er wollte mich ausziehen, doch da bekam ich Angst, weil man für Sex in der Öffentlichkeit in Thailand hart bestraft werden kann und danach nie wieder einreisen darf.
Es dauerte aber eine Weile, bis ich ihm das klarmachen konnte, denn er wollte einfach nicht aufhören. Ich wurde schon leicht panisch und ärgerlich, doch dann begriff er endlich.
„Sorry, es tut mir leid“, entschuldigte er sich, nachdem ich mich gewehrt hatte. “Ich bin so hin und weg von dir, dass ich beinahe die Beherrschung verloren habe.“ Gut, er verwendete andere Worte, aber unterm Strich kam das dabei heraus.
„Ist schon okay“, murmelte ich und küsste ihn noch einmal auf den Mund. Danach hatte ich aber trotzdem keine Lust mehr. Außerdem ging mir das viel zu schnell.
Also brachte er mich zu meinem Bungalow zurück. Eigentlich war es ja das, was ich wollte. Tr trotzdem war ich enttäuscht, dass er mich einfach so gehen ließ.
„Bis morgen am Strand, meine fremde Schönheit“, raunte er zum Abschied und da war meine Welt wieder in Ordnung. Überglücklich schwebte ich ins Bett und traf ihn am nächsten Nachmittag tatsächlich am Strand, als die anderen schon weg waren.
Ich schrieb also kurz Amy, dass mit mir alles okay sei, ich Lucas wieder getroffen habe und nicht mit ihnen essen gehen würde.
Stattdessen fiel ich ihm in seinem Hotelzimmer in die Arme und ließ alles mit mir geschehen. Immer und immer wieder. Ich war hin und weg von ihm, und bin es noch.
Er zeigte mir neue Welten. Ich habe Dinge mit ihm erlebt, die ich vorher für unmöglich gehalten hätte.
„Ich muss dich jetzt haben! Ich kann nicht mehr!“, knurrte er und ein heißer Schauer lief durch meinen Körper. Er saß auf seinem Bett, ich stand vor ihm. Seine weichen Hände zogen mir das Strandkleid über den Kopf. Andächtig betrachtete er meinen Körper, zog mich an sich und umschloss durch den Bikini mit seinen Lippen einen meiner harten Nippel. Er stöhnte genauso laut auf wie ich. Oh, war das himmlisch! Langsam streifte er mein Oberteil über meine Schultern. „Oh Gott“, stöhnte er. „Du bist so schön. Deine Brüste sind die schönsten, die ich jemals gesehen habe.“ Vielleicht verwendete er auch hier ein anderes Wort, denn es störte mich ein bisschen, dass er das so sagte, aber natürlich hat er in seinem Alter schon mehrere gesehen. Er nahm sie in seinen Mund, leckte und saugte an ihnen, bis ich nicht mehr daran dachte, ganz heftig zu zittern begann und meine pochende Mitte an seinem Oberschenkel rieb. So schnell und hart, dass ich Minuten später wirklich kam. Ich! Wo ich noch nie bei jemand anderem, außer bei mir selbst, gekommen bin!
Und das war erst der Anfang
„Allegra! Komm jetzt!“, dringt Matteos Stimme zu mir vor. „Wir gehen jetzt!“ Verwirrt richte ich mich auf. Wo war ich? Und wohin gehen wir jetzt? Ich war doch bei Lucas, in seinen Armen! Gerade zog er mir mein Bikinihöschen aus …
Ich will zu Lucas!
Ich will ihn wiedersehen. Bitte, bitte, bitte!
Ich werde ihn wiedersehen. Das spüre ich.
So wie er mich geküsst und angesehen hat, wird er mich suchen. Ganz bestimmt. Er wird mich finden.
Ich werde für ihn da sein.
Wir sind füreinander bestimmt, das spüre ich.